Die letzte Jahresmitgliederversammlung des Vereins Rhein/Main Voll Erneuerbar e.V. hat am
Freitag, den 15.12.2023 um 19 Uhr stattgefunden.
Infos über neue Aktivitäten des Vereins erscheinen in Kürze hier.
Energiewende jetzt! Denn der Klimaschutz erlaubt keinen Aufschub mehr!
Vom 06.11. bis 19.11.2022 fand die Weltklimakonferenz COP27 in Sharm-El-Sheikh statt. Voll Erneuerbar hat in Kooperation mit Taunussteiner Partnerorganisationen und gefördert vom Land Hessen eine Parallelveranstaltung dazu durchgeführt:
die Weltklimakonferenz in Taunusstein.
Ziel der Veranstaltungsreihe war es, die Verhandlungen der COP27 transparenter zu machen und den Klimaschutz von der internationalen auf die kommunale Ebene zu bringen. Die meisten Veranstaltungen sind als Videomitschnitte verfügbar.
Rhein/Main Voll Erneuerbar setzt sich seit 10 Jahren für Klimaschutz in Wiesbaden ein.
Machen auch Sie mit. Wir freuen uns über alle, die sich beim Klimaschutz aktiv engagieren.
Verwaltungsgericht Wiesbaden ermöglicht Windkraftanlagen auf dem Taunuskamm
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat mit seinem Urteil vom 24. Juli 2020 der Klage der ESWE Taunuswind GmbH gegen den ablehnenden Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt stattgegeben und den Bau sämtlicher zehn Windkraftanlagen erlaubt.
Rhein/Main Voll Erneuerbar begrüßt dieses Urteil und hofft, dass nun endlich der Weg für dieses aus Klimaschutzgründen so wichtige Projekt in Wiesbaden freigemacht wird. Insbesondere erwartet RMVE, dass das Land Hessen auf die Möglichkeit zur Revision gegen das Gerichtsurteil verzichtet.
Hier unser Kommentar zum Thema Windkraft auf dem Taunuskamm:
Laut aktuellen Umfragen rangiert in der deutschen Bevölkerung der Klimaschutz auf Platz 1 der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben. Eine überwältigende Mehrheit (89 %) befürwortet eine stärkere Nutzung der erneuerbaren Energien. Die Haltung in der Bevölkerung zugunsten von mehr Klimaschutz und erneuerbaren Energien ist also sehr positiv. Doch eine kleine, sehr lautstarke Minderheit macht regelmäßig Stimmung gegen diesen gesellschaftlichen Konsens und attackiert die Energiewende, insbesondere den Bau von Windkraftanlagen.
Um gehört zu werden, verwenden Windkraftgegner gerne die bekannten Methoden der Agitation: Falschdarstellung, Übertreibung, Dramatisierung. Mit Worten lassen sich Emotionen und Bilder erzeugen, die mit den Tatsachen nicht viel zu tun haben müssen. Wenn der Begriff „Kranich-Schredderanlage“ verwendet wird, muss man über das Für und Wider nicht lange nachdenken.
Angesichts solcher „Informationen“ verfestigt sich bei Bürgern schnell die Einschätzung: „Ja wenn das so ist, dann bin ich auch gegen Windenergie“ – und damit liegen sie intuitiv richtig, denn wenn die Behauptungen der Windkraftgegner stimmen würden, dann wäre der Bau dieser Anlagen tatsächlich nicht zu verantworten. Der Haken ist nur: die meisten Behauptungen stimmen entweder nicht oder nur in sehr kleinen Teilen, und das was stimmt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als unspektakulär und unproblematisch.
Wenn man den Kern des Widerstands auf Fakten hin untersucht, laufen die vorgebrachten Argumente sehr schnell ins Leere und reduzieren sich auf eine trotzige Fundamentalopposition. Dies ist aber keine angemessene Reaktion auf die realen Herausforderungen durch den Klimawandel.
Um welche Themen geht es im Einzelnen? Beim Windpark Hohe Wurzel wurden in der Presse zuletzt vor allem folgende Gegenargumente vorgebracht:
- Grundwassergefährdung
- Artenschutz
- Landschaftsschutz
- Denkmalschutz
- grundsätzliche Eignung des Standorts
Im Genehmigungsverfahren wurde der Grundwasserschutz zum dominierenden Ablehnungsgrund aufgebauscht, dem sich seltsamerweise auch das Regierungspräsidium Darmstadt anschloss. Dies verwundert insbesondere deshalb, weil eine tatsächliche Gefährdung nur in der kurzen Bauphase des Windparks besteht, und weil ESWE (nebenbei als Wasserversorger selbst Betreiber der Taunusstollen) dafür ein umfangreiches Konzept zum Schutz vor einer Grundwassergefährdung vorgelegt hat.
Kein vernünftiger Mensch würde eine Gefährdung unserer Trinkwasserversorgung für einen kleinen Teil der Energieversorgung akzeptieren. Daher ist diese Argumentation in der Öffentlichkeit auch so verfänglich. Dass sie fachlich auf sehr wackeligen Füßen steht und sich bei näherer Betrachtung als zahmes Kätzchen erweist, bleibt in der aufgeheizten öffentlichen Debatte leider auf der Strecke.
Die Behauptung der Genehmigungsbehörde aus dem Ablehnungsantrag, dass keine „realistischerweise umsetzbaren“ Maßnahmen vorstellbar seien um den Schutz des Grundwassers zu gewährleisten, ist völlig weltfremd und unterschlägt, dass tagtäglich in Wasserschutzgebieten Baumaßnahmen durchgeführt werden. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier nicht die fachliche Expertise, sondern das Ziel der Ablehnung der Orientierungspunkt für die inhaltliche Auseinandersetzung war.
Thema Artenschutz: Keine der am Standort Hohe Wurzel ins Spiel gebrachten Tierarten wird durch den Windpark in ihrem Bestand gefährdet. Der Wanderfalke nutzt den Fernsehturm als Spähpunkt, nistet dort aber nicht. Die Erfahrungen mit anderen Windparks zeigen, dass der Wanderfalke nicht schlaggefährdet ist. Es sind sogar Fälle bekannt, in denen Wanderfalken an Windkraftanlagen brüten.
Die Bechsteinfledermaus ist wegen ihrer geringen Flughöhe ebenfalls nicht kollisionsgefährdet. Die Windkraftrotoren bewegen sich in einem Bereich zwischen 91 und 207 Metern über dem Boden, weit über den Flugrouten der Fledermäuse.
Der Schutz von Kranichen ist für Windkraftanlagen grundsätzlich kein Problem. Die Routen der Kranichzüge sind bekannt, und über ein Beobachtungsnetzwerk lässt sich die Annäherung der Schwärme frühzeitig erkennen. Selbst wenn es zu dem eher unwahrscheinlichen Fall käme, dass Kraniche bei schlechtem Wetter in niedrigen Höhen über der Hohen Wurzel entlang ziehen, könnten die Anlagen in diesem Zeitraum rechtzeitig abgeschaltet werden. Den Windpark als Kranich-Schredderanlage zu bezeichnen ist eine dreiste und noch dazu ziemlich doofe Verunglimpfung.
Beim Thema Landschaftsschutz werden wegen fehlender Argumente gerne Superlative und dramatisierende Begriffe verwendet. Dies gilt nicht nur für die Hohe Wurzel, sondern auch für andere Standorte. Gerne wird durch den Blick auf Windkraftanlagen die „Zerstörung“ einer „einzigartigen Kulturlandschaft“ phantasiert. Beim Windpark Hohe Wurzel handele es sich durch die „industrielle Überformung“ sogar um einen „bisher nie dagewesenen Landschaftsvandalismus“.
Solche subjektiven Befindlichkeiten werden auch beim Denkmalschutz vorgebracht. Aus unserer Sicht ist eine Einschränkung durch den Denkmalschutz aber grundsätzlich nur legitim, wenn durch eine Maßnahme ein unmittelbarer historischer Zusammenhang gestört wird. Der Anspruch, von überall her und aus jedem Blickwinkel das Erscheinungsbild eines Denkmals beibehalten zu können, ist überzogen und geht an der Wirklichkeit unserer, von permanenter Landschaftsveränderung geprägten Lebensweise vorbei.
Es ist legitim, Windkraftanlagen nicht zu mögen und das veränderte Landschaftsbild subjektiv als Verschandelung zu empfinden. Es ist allerdings nicht legitim, diese persönliche Sichtweise zum allgemein gültigen Bewertungsmaßstab zu erheben. Schließlich dient der Eingriff in das Landschaftsbild einem übergeordneten Zweck, dem Klimaschutz. Die faktischen Auswirkungen hinsichtlich der Einsparung von Treibhausgasen und Schadstoffen (NOx, Staub, Ruß) müssen mit den subjektiven Vorstellungen von einem wünschenswerten Landschaftsbild abgewogen werden. Aus unserer Sicht sollte in dieser Abwägung der Klimaschutz die wichtigere Rolle einnehmen.
Doch egal wie man sich entscheidet, man kann das Eine nicht ohne das Andere bewerten. Die Vorstellung, man könne die Welt dadurch bewahren, dass man den aktuellen Zustand konserviert, verkennt die tatsächlichen Probleme und Herausforderungen unserer Zeit. Es geht hierbei eben nicht um Befindlichkeiten, sondern um den gesellschaftlichen Konsens zum Klimaschutz, inkl. Ausstieg aus der Atomenergie und aus der Kohleverstromung.
Häufig wird dem Standort Hohe Wurzel auch die grundsätzliche Eignung als Windkraftstandort abgesprochen. Zunächst wurde dies mit den angeblich schlechten Windverhältnissen begründet, was inzwischen eindeutig widerlegt ist. Heute wird vor allem die „Einzigartigkeit“ des Landschaftsbildes bemüht, und dass man den Park doch einfach woanders bauen könne, schließlich gäbe es an anderen Orten ausreichend geeignete Flächen für Windkraftrotoren. Konkretisiert wird diese Aufforderung nicht.
Bei genauerer Betrachtung wird klar, dass das Totschlagargument „not in my backyard“ in Südhessen nicht greift. Der von allen Parteien im Hessischen Landtag unterstützte Energiegipfel sieht eine Ausweisung von 2% der Landesfläche für Windkraftanlagenvorranggebiete vor. Der Teilenergieplan Erneuerbare Energien für Südhessen konnte aber nach jahrelangen Bemühungen nur 1,4% solcher Flächen ausweisen, weshalb er vom Verwaltungsgericht Wiesbaden auch als fehlerhaft eingestuft wurde. Wenn es also genügend andere Flächen als die Hohe Wurzel gäbe, dann müssten diese im Regionalplan auftauchen, was aber nicht der Fall ist.
Daher ist das von den Windkraftgegnern gern vorgebrachte Argument, man sei ja für den Klimaschutz und man hätte auch nichts gegen Windenergie, aber eben nur nicht an diesem konkreten, „einzigartigen“ Standort, unredlich.
Wir tragen heute eine große Verantwortung für den Zustand der Welt von heute und morgen. Wenn Klimaschutz an Vorlieben und Befindlichkeiten scheitert, dann leisten wir uns allen einen folgenreichen Bärendienst.